Teil 8
Die Lofoten, Trauminseln im Nordmeer
Samstag , der 1. Juni
Nach Ankunft in Andenes, am nördlichsten Zipfel der Vesterålen, begrüßt uns nicht gerade das beste Wetter. Die Insel auf der wir uns nun befinden ist Andøya, Sie gehört nicht zu den Lofoten, sondern zu den nördlich davon gelegenen Versterålen. Die Wolken hängen tief und schneiden die Bergspitzen ab. Es ist mittlerweile später Abend geworden und wir suchen erst einmal eine Bleibe für die Nacht. Die Campingplätze sind um diese Tageszeit leider recht voll. In dieser Hinsicht sind wir im Laufe unserer Reise recht verwöhnt worden. Irgendwie war überall ein entspanntes Stehen mit viel Abstand an einem schönen Fleckchen möglich. OK! Wir sind jetzt auf dem Weg zu den Lofoten. Da muss man auch 3 Wochen vor Midsommer schon mit erhöhtem Menschen- und Fahrzeugaufkommen rechnen. Wir fahren weiter in das wenige Kilometer südwärts gelegenen Bleik. Auch hier treffen wir auf volle Plätze und alle guten Standflächen sind vergeben. Nur noch extrem schräges Gelände ist frei, welches wir mit unseren mitgeführten Auffahrkeilen nicht ausgleichen können. Schade, denn gerade von Bleik soll die aine oder andere interessante Aktivität zu erleben sein. Bleik selbst hat gerade einemal etwa 450 Einwohner. Seine Geschichte ist umso interessanter. Es wird auf Grund prähistorischer Funde vermutet, dass hier bereits während der Steinzeit Menschen lebten. Der Einfluss des unmittelbar vor der Küste entlang führenden Golfstromes macht das Klima hier deutlich milder, als an anderen Orten des gleichen Breitengrades. Heute lebt man in Bleik, wie so oft an Norwegens Küsten, vor allen vom Fischfang. Der Tourismus gewinnt aber zunehmend an Bedeutung. Nördlich des Ortes findet der ambitionierte Golfer sogar ein Areal zur Ausübung seines Sportes. Wal- und Vogelsafaris kann man hier buchen. Die beliebten Papageientaucher brüten mit über 10.000 Paaren von April bis August an den bekannten Vogelfelsen. Mit ein paar Tagen Zeit, könnte man in Bleik und Umgebung sicher einiges erleben.
Als wir einige Kilometer weiter Richtung Süden auf einem Platz in direkter Strandnähe stoßen, ist es bereits 22.00 Uhr. Die Rezeption hat zwar schon geschlossen aber eine nette junge Dame öffnet eigens für uns noch einmal und freut sich sichtlich über unser Kommen. Sie begrüßt uns sehr freundlich und lobt unseren Trollexpress. "So ein tolles Fahrzeug sieht man nur selten. Habt ihr den selbst gebaut?" Stolz bejahen wir die Frage.
Wie sie uns erzählt, kommt sie aus Finnland und arbeitet über den Sommer hier in Norwegen.
Stave Camping heißt unser Übernachtungsplatz in der Nähe von Stranda für heute. Wir stehen mit direktem Blick auf das Europäische Nordmeer, unmittelbar an einem breiten Sandstrand. Mystischer Himmel überspannt das Szenario. Die See ist ruhig und es weht nur ein laues Lüftchen. Trotz später Stunde machen wir noch einen kleinen Erkundungsgang.
Am Strand gibt es immer etwas zu entdecken. Muscheln, bunte Steine, Treibgut und diesmal etwas ganz Besonderes: Des Teufels Schweif. So deuten wir den Fund jedenfalls.
Wer ihm dem Belzebuben jedoch herausgerissen hat, erfahren wir nicht.
Odin findet es toll, nach einem Tag mit nicht so viel Bewegung noch einmal die Sau rauszulassen und den Sand zu durchpflügen.
Der Teufelsschweif interessiert ihn weniger. Scheinbar ist es ein veganes Relikt und auf vegan steht Odin nun mal nicht.
Schließlich schickt uns Alexa noch die späten Nachrichten aus Deutschland. Hochwasser in vielen Gebieten von Bayern und Baden-Württemberg nach vielen Tagen ergiebigen Regens. Überhaupt, der Sommerbeginn zu Hause- bisher äußerst mau. Seit unserer Abreise aus Deutschland, Anfang Mai, hatten wir hier im Norden bisher zwar hin und wieder mal einen trüben Tag, jedoch in den ganzen 5 Wochen unserer Reise noch keinen nennenswerten Niederschlag. Umso erstaunlicher sind für uns die Bilder aus den Hochwassergebieten im Süden.
Sonntag, der 2. Juni 2024
Eine Nacht im Trollexpress zeigt uns immer mal wieder die Vorzüge, die unser massives Fahrzeug bietet. Wir kommen damit überall dorthin, wo wir nicht gerade bis an die Achsen versinken. Wenns trotzdem mal schwierig wird, achten wir darauf, dass wir unsere Stellplätze an Ende so verlassen, wie wir sie vorgefunden haben. Auf keinen Fall wollen wir, dass das Gelände nach unserer Abreise aussieht, als hätte dort die Bundeswehr geübt.
Da unser Trolli sehr fest auf seinen 4 Rädern steht, merken wir wenig davon, wenn es draußen stürmt. Da gibt es kaum ein Rütteln oder Schütteln. Dazu ist die Wohnbox hervorragend schallisoliert. Da muss draußen schon einiges abgehen, bevor uns das in unserer Trutzburg stört. Trotz hin und wieder schon recht niedriger, nächtlicher Außentemperaturen, haben wir unsere Heizung noch kein einziges Mal anwerfen müssen. Mit 90 mm kältebrückenfreier Isolation des Wohnkoffers bedarf es erst sehr nahe des Gefrierpunktes eines nennenswerten Wärmenachschubs durch die eingbaute 2 x 2 Kilowatt - Diesel - Luft-Heizung.
Unseren Frischluftbedarf reguliert permanent eine computergesteuerte, flüsterleise Lüftungsanlage mit zusätzlicher Luftfeuchteregulierung von Bayernluft. Falls ein schnellerer Luftaustausch gewünscht ist, kann der leistungsfähige Dachlüfter von Maxxfan dazugeschaltet werden. Dank einigermaßen klug angelegter Hinterlüftungen im Innenraum, findet eine durchdachte Gesamtzirkulation statt. Kondensatbildung, sowohl an Fenstern als auch in irgendwelchen versteckten Ecken, ist bis heute ein Fremdwort für uns. Gerne schlafen wir unmittelbar an den gekippten Fenstern unserer Schafkojen und genießen es, wenn das Meeresrauschen, das Trommeln des Regens oder die frische Brise aus den Bergen wahrnehmbar sind.
Das Wetter hat sich über die Nacht nicht wirklich verändert. Der Tag begrüßt uns in schicken grau. Das übliche Morgenzeremoniell: Duschen, Zähne putzen, Frühstücken, kleine Gassirunde mit Odin. Ein Blick aus unserem "Wohnzimmerfenster" lässt uns jedoch stutzen. Was sind das für seltsame Hügel auf dem Teil des Campingplatzes, der jenseits der Straße liegt? Etwa historische Vorratshügel der Wikinger? Alte Grabstätten? Nichts von allem. Es sind Hotpots, die man mieten kann. Geil! Wir überlegen uns kurz, ob wir uns diesen Luxus zum lieben Montag mal gönnen sollten.
Im Grunde ist egal, welches Wetter draußen herrscht. Im warmen Hotpot sitzend, ist man sowieso nass. Zudem regnet es nicht wirklich. Aber am Ende haben wir doch nicht so richtig Lust da hinein zu hüpfen, denn eine wichtige Zutat fehlt, die Sonne, die dem Vergnügen die Krone aufsetzten würde. Ganz nebenbei kosten 90 Minuten, wenn ich mich richtig erinnere, satte 800 Kronen.....pro Person! Also umgerechnet rund 135,00€. Zwar sind wir nicht geizig und an manchen Stellen in der Welt sagen wir uns auf echt Thüringisch: Wat mut dat mut! Das war uns uns dann doch etwas zu fett. (Später ärgern wir uns allerdings, dass wir nicht nachgefragt haben, ob es für Rentner Nachlass gegeben hätte 🤣.)
Die Straßenbezeichnung legt ab jetzt noch eine Dezimalstelle zu. Wir sind mittlerweile auf dem Fylkesweg 7698 unterwegs. Wörtlich übersetzt heißt Fylkesveg nicht etwa Volksweg, sondern völlig unspektakulär Kreisstraße, wie wir es von old Germany kennen. Norwegens Traumstraßen führen an ungezählten Traumausblicken vorbei. Was liegt näher an solche Traumstraßen, ebensolche Traumrastplätze zu bauen. Zu diesen wiederum würden keine normalen Toiletten passen. Der Logik folgend, hat man auch hier Besonderes geschaffen. Auf unserem Weg Richtung Süden geht es immer am Nordmeer entlang. Nach einer halben Stunde Fahrzeit erblicken wir einen solchen Rastplatz. Auf dem Buttekjerka Rasteplass erwartet den Besucher eine hypermoderne und doch 110 %ig zu Norwegen und zur umliegenden Natur passende, völlig verspiegelte Toilette.
Zum Umfeld passend, da sich das umliegende Gelände in den riesigen Glasflächen des sanitären Gebäudes spiegelt. Die Toilette ist wie überall blitzesauber und man kann während deren Benutzung von innen durch die speziell getönten Fensterflächen nach außen schauen.
Einziger kleiner Konstruktionsfehler: Durch die Verspiegelung der Scheiben soll man eigentlich nicht von außen in die Toiletten hinein schauen können. Tja!
Was sollen wir euch sagen? Leider kann man das doch 😬! Je nach Lichtverhältnissen sitzt man in der Spiegeltoilette wie auf dem Präsentierteller. Wer da etwas exhibitionistisch veranlagt ist, den mag es nicht stören. Für die anderen gilt unsere Empfehlung: Lieber noch einmal die Notdurft verkneifen und auf das nächste architektonisch hochwertige Toilettengebäude warten.
Wer nicht so dringen muss, kann noch eine entspannte Wanderung zum Børhella Lighthouse, einem kleinen, gut gepflegten Leuchtturm auf einer von der Brandung umspülten Halbinsel, unternehmen. Uns begrüßte eine Meer von kleinen weißen Blumen, ähnlich unserer Buschwindröschen.
Währen unseres Aufenthaltes fand gerade die Übung einer norwegischen Rettungsstaffel statt. Um nicht als Paparazzi zu gelten, haben wir von Nahaufnahmen abgesehen. Die fröhlichen Gesichter und das gelassene Verhalten der Retter deuteten jedoch darauf hin, dass da keine Person aus der Brandung gezogen wurde, sondern ein Kasten Bier als Opfersimulation auf der Trage stand.
Keine 20 Minuten später erreichen wir auf der 7698 Sandvika Beach, den nächsten Hingucker am Rande der Straße. Trotz des abermals sehr karibisch anmutenden Hotspots haben wir die Stelle leider nicht fotografisch festgehalten. Aber eine Toilette gab es dort. Ich schwöre!
Nach unserer recht zügigen Fahrt über die Inseln der Vesterålen erreichen wir am Abend bereits die Insel Austvågøya mit dem kleinen Ort Kabelvåg ganz im Süden.
Wir landen auf dem Kabelvåg Feriehus & Campingplatz
Ein wirklich nettes Eckchen. Zwar schnappt uns hier ein sonst so netter Holländer unseren anvisierten Übernachtungsplatz vor der Nase weg, wir waren eben zu langsam, aber der Platz, den wir nun stehen, ist sowieso schöner und liegt besser.
Die Freundlichkeit, die uns von den Leuten der Campingplatzverwaltung entgegengebracht wird, ist einmal mehr norwegisch, sympathisch.
Von Kabelvåg aus kommen allerdings die besonderen, landschaftlichen Schönheiten der Lofoten, auf denen wir uns nun befinden, nicht so richtig zur Geltung. Die Gegend wirkt eher mitteleuropäisch.
Also erstmal schlafen und dann den nächsten Tag planen. Das schöne Wetter hat uns eingeholt. Es gibt noch viel zu sehen auf den Trauminseln im Nordmeer, den Lofoten.
Montag, der 3. Juni 2024
Henningsvaer, kleiner Ort - ganz groß
Und wieder einmal bleibt es eine kurze Stippvisite in Kabelvåg.
Das schöne Wetter treibt uns an.
Hier, quasi im Zentrum der Lofoten, gibt es noch viel zu sehen.
Den Tag zu verbummeln, ist also keine Option.
Das Touristenörtchen Henningsvær liegt kaum 20 Kilometer südwestlich von uns.
Eigentlich ein Katzensprung. Der kleine Ort ist über zwei aufeinander folgende Brücken erreichbar und liegt am südlichsten Zipfel der Insel Austvågøya am Vestfjord. Seine Lage auf zwei, durch eine Mole, dem Dreyers Gate, verbundenen Inselchen, ist einzigartig. Kurz vor dem Ortseingang regelt eine Ampel den Verkehr über die Henningsværbrua. Zur Überfahrt steht nur eine Fahrspur zur Verfügung.
Wenige Meter danach erwartet uns der vermutlich einzige Parkplatz des Ortes. Ich denke es passen nicht mehr als 50 bis 60 Fahrzeuge darauf. Sind Wohnmobile dabei reduziert sich die Zahl nochmals drastisch. Burschen von der Größe unseres Trollexpress beschränken die Kapazität auf nicht mehr als 30. Das alles hört sich vielleicht viel an, ist aber auf Grund des großen Touristenstromes eher eine Minimallösung. Als wir ankommen, ist das Parkplätzchen auf Grund von Bauarbeiten auch noch teilweise gesperrt. Es gelingt uns trotzdem eine Lücke zu ergattern, die das spätere Ausparken nicht zum unlösbaren Problem werden läßt.
Wir schauen uns um und sind nach wenigen Metern mittendrin in einem norwegischen Märchen. Die Hafenbucht mit allerlei Schiffchen begrüßt uns in der Mitte. Drumherum ein kleines Labyrint gemütlicher Gässchen mit Bäckerei, Gemischtwarenladen, Strassencafe´s und natürlich, das muss so sein, mit vielen hübschen Andenkenlädchen.
Die alte Holzwarenfabrik, die heute ein Restaurant beherbergt, die Schule, ein Friseur und am Ende der Straße, rechts der Mohle, sogar eine Werft bringen Leben und Arbeit in das Dorf mit immerhin Fünfhundert und Einem Einwohner (Stand 1.1.2024).
Es ist Schulschluss. Die Kinder schlendern ihrem zu Hause entgegen. Wir schlendern ebenfalls durchs Dorf, machen Fotos , essen ein Eis, kaufen ein paar Souveniers und entdecken ganz nebenbei, den angeblich "schönste Fußballplatz der Welt." Kurz innehalten. Überlegen? Der "Schönste"? Naja, Kunstrasen? Schon nicht mehr ganz grün! Auch etwas abgelaufen, was man bei späteren Aufnahmen mit der Drone deutlich sehen kann. Aber spektakulär. Ja, sehr spaktakulär, denn diesen Platz haben wir schon oft in Reisevideos oder im Fernsehen gesehen. Jetzt selbst hier zu sein, ist irgendwie sürreal.
Die Sonne scheint und außer uns sind nur einige wenige Leute hier. Ein Fußballspiel findet nicht statt, was ja auch für einen Montagnachmittag einigermaßen verwunderlich wäre. Leider haben wir auch selbst keinen Ball mit, um eine Runde zu kicken. Ob ich mich als Spieler in dieser atemberaubenden Umgebung aufs Spiel konzentrieren könnte, steht ohnehin in den Sternen. Einigen wir uns am Ende, den Fussballplatz als den "Speziellsten der Welt" einzustufen. Mit dem "Schönsten" ist das so eine Sache.
Wir machen uns nach einer Weile wieder auf, um so langsam aber sicher zurückzuschlendern. Vorbei an den Holzgestellen, an denen der sogenannte Klippfisch oder die ungesalzene Version davon, der Stockfisch getrocknet wird.
Ein für Norwegen, speziell für die Lofoten in vergangener Zeit, sehr bedeutender Wirtschaftszweig. Heute ist dessen Bedeutung stark zurückgegangen. Zu sehen ist das auch an den zahlreichen, leer stehenden Trockengestellen. Zu früheren Zeiten war Stock- wie auch Klippfisch in vielen Regionen der Erde ein wichtiges Nahrungsmittel. In einigen Ländern war er sogar Bestandteil der Nationalküchen. Auch für längere Seereisen war der getrocknete Fisch wegen seiner fast unbegrenzten Lagerfähigkeit einstmals unverzichtbar. Klar dass es in heutigen Zeiten andere Möglichkeiten der Konservierung gibt. Wohl kein Langzeitseegler geht mehr mit Trockenfisch auf Reisen. Wir haben die heutzutage käufliche Variante selbst ausprobiert. Man muss schon spezieller Freund rein fischigen Geschmacks sein, um Genuss an diesen Snacks zu finden. Auf Deutsch gesagt: Du hast das Gefühl, es wird immer mehr im Maul, wenn du es kaust!
Wir haben noch mehrer Tüten davon liegen. Sollte jemand Interesse daran haben, ruft uns an.
Auf unserem Rückweg machen wir in einer Pizzeria Station.
Wir haben zwischenzeitlich richtig Hunger bekommen. Abgesehen davon war das kleine Lokal auch in einer anderen Beziehung unsere Rettung.
Auch wenn Henningswær viel zu bieten hat, eine ganz wichtige Institution ist einzig am bereits beschriebenen Parkplatz, ganz vorne zu finden. Im ganzen restlichen Ort fehlen weitere Zweigstellen....von öffentlichen Toiletten.
Die Pizza war jedenfalls sehr schmackhaft und stärkte uns für den Rest des Tages.
Wie schon am Anfang bemerkt, wird im touristischen Ortszentrum momentan viel gebaut.
Das erste, jetzt schon sichtbare Ergebnis läßt hoffen, dass die Norweger das stilecht erledigen und den Charakter des alten Dörfchens damit nicht aufs Spiel setzen. Seit wann hier Menschen leben, haben wir nicht herausbekommen. Einzig die Info, dass es bei einer Volkszählung im Jahr 1769 ganze 4 Einwohner hatte, konnten wir von Wikipedia erhaschen.
Bevor wir uns aber wieder auf den weiteren Weg machen, kann ich mir zwei Dinge nicht verkneifen: Zum Einen muss ich mit den Trollexpress einmal durch das schöne Örtchen fahren, um zum Zweiten am Ende ein paar tolle Bilder am "speziellsten Fussballplatz der Welt" zu machen. Etwas Bedenken hatte ich schon, denn schließlich gibt es hier mehr als genug Touristen und mehr als genug Wohnmobile. Und dann noch unser kleines Riesenbaby auf Henningsværs schmalen Straßen! Da hätten wir schon mit dem einen oder anderen bösen Blick rechnen müssen. Das Gegenteil war der Fall. Auch hier wieder freundliches Lächeln, vielleicht mit dem stillen Gedanken: Was kommt denn da wieder für ein Einfallspinsel? Kein Sperrschild welches die Durchfahrt zum Fussballplatz verwehrt hätte! Drohnenverbot? Fehlanzeige! Solange man niemandem auf den Senkel geht, ist alles gut.
So ist der Norden, so ist Norwegen. Also kommen wir gerne wieder, schauen, genießen und versuchen dabei, trotz unserem etwas größer geratenem Bollerwagen,
keinem "auf den Senkel zu gehen"!
Nach nicht einmal 4 Stunden sind wir wieder am Troll. Obwohl wir nicht gehetzt sind, haben wir in dieser kurzen Zeit alle Sehenswürdigkeiten "abgelaufen".
Dann mal Tschüss Hennungsvær.
Wenn es irgendwie klappt, werden wir uns wiedersehen und dann vielleicht etwas länger bleiben.
Kurz vor 4 fahren wir wieder über die Henningsværbrua. Diesmal in nördliche Richtung. Inselchen hier, Inselchen da. Brücken, Fjorde, verstreut liegende Häuser, die man kaum als Dörfer bezeichnen kann. In Deutschland würde man das abwertend "Zersiedelung" nennen. Im Grunde würde aber fast jeder gerne so leben. Mitten in der Natur. Immer den Seewind in den Haaren. Kaum Verkehr auf den Straßen. Klar, beim Einkaufen sollte man vorausschauend denken, denn der nächste Supermarkt liegt nicht gleich um die Ecke. Vielmehr gibt es sie hier aber noch, die kleinen "Tante Emma Lädchen". Hier kann ich zwar kein lila Schleifenband kaufen, aber in blau, rot, und weiß, den norwegischen Nationalfarben, wird man es bekommen. Auch Brot und Brötchen und etwas zum Drauflegen gibt es. Mausefallen, LED-Birnen, für den Notfall Kerzen und Streichhölzer liegen ausreichend bereit.
Papierstrick konnten wir nicht bekommen, aber wer braucht schon Papierstrick? Und man trifft sich in diesen kleinen Lädchen, die mich ganz stark an unseren Dorfkonsum aus meiner Kindheit erinnern. Und jeder kennt jeden. Immer ein freundliches Hei und die ehrlich gemeinten paar Worte: Hvordan har du det? (Wie geht´s dir so?). Naja, überschwängliche Konversation betreiben sie nicht, die Norweger. Nicht wie etwa in Amerika: "Oh my God. How nice to see you. You look wonderful. Your hair shines like silk. Where did you get this wonderful makeup?"
Da geht´s hier oben eindeutig um bodenständigere Dinge, wie z.B. die Frage, wie´s den Kindern und Enkeln geht oder ob der Befragte schon genügend Holz für den kommenden Winter im Schuppen hat.
Man lacht und ist freundlich und wenn man merkt, dass wir Touristen sind, geht nicht etwa die Scheuklappe nach unten, ganz im Gegenteil. Die Menschen werden meist noch ein gutes Stück freundlicher. Fast alle sprechen ein tolles Englisch oder in einigen Fällen sogar ein paar Brocken Deutsch. Den Supermarkt in Deutschland möchte ich finden, in dem die nette Frau an der Kasse dem norwegischen Touristen mit "Takk for kjøpet. Ha en god reise videre" (Danke für deinen Einkauf. Gute Weiterreise.) antwortet.
Da müssen wir schlauen Südlinge noch viel lernen.
Unsere Straße mündet einige Kilometer nördlich auf die E10, die, wenn man sie weiter fährt bis nach Å auf die äußerste Westspitze der Lofoten führt. Aber so schnell sind wir nicht. Wir wollen diese magischen Inseln noch eingehender erkunden.
So geht unsere Fahrt entlang des Brennaveien erstmal weiter Richtung Norden. Irgendwann entdecken wir ein Hinweisschild "Rystad Lofoten Camping". Nicht lange und wir sind da.
Einchecken erstmal nicht nötig. Einfach ein Plätzchen suchen. Alles andere hat bis morgen Zeit, wenn die kleine Rezeption wieder besetzt ist. Genauso tun wir es auch. Die Standplätze sind großzügig angelegt.
Auch hier ist die Tarnung durch unser Wohnkofferdekor wieder einmal nicht zu toppen. Den Blick aufs Wasser, den Landmeen, einen Zipfel des Gimsöystraumen, hat man eigentlich von überall aus.
Es sei denn man würde sich mit einem Pössl-Wohnmobil direkt hinter eine 3,85 Meter hohe Mercedes 1222 Feuerwehr stellen. Aber wer tut das schon?
Der Wind bläst recht kräftig. Grillen wird schwierig und vielleicht auch nicht gemütlich. Wir tun es trotzdem und brutzeln uns ein Paar Hähnchenbeine. Wie immer köstlich. Ich frage mich immer, wenn wir nur Beine oder Flügel Essen, was wohl mit dem Rest des Gockels passiert ist. Hoffentlich wurde nichts weggeschmissen.
Wie wir es möglicherweise verdient haben, blinzelt die Sonne immer noch vom Himmel. Auch wenn es mittlerweile fast 23 Uhr geworden ist, steht sie noch deutlich über dem Horizont.
Ich weiß zwar nicht, wer das mal gesagt hat, aber es gibt den Satz:" Kein Sonnenuntergang ist langweiliger, als ein Sonnenuntergang bei wolkenlosem Himmel." Wir haben Glück. Zusammen mit der einen oder anderen spektakulären Wolke erleben wir einmal mehr ein unglaublich schönes Naturschauspiel.
Dienstag, der 4. Juni 2024
Die Strände von Haukland und Uttakleiv Beach-
Traumstrände, Traumwetter, Traumansichten
Am nächsten Morgen machen wir noch ein paar lustige Bekanntschaften. Zwei junge Schweizer schleichen zunächst etwas schüchtern draußen herum, um unseren Trollexpress zu bewundern. Wir kommen ins Gespräch. Die wilde Truppe ist auf dem Weg zum Nordkap. Mit drei Fahrzeugen, 4 Kumpels nebst Freundin. Hin und zurück wollen sie die Strecke in drei Wochen packen. 700 km fast jeden Tag. Dabei hat einer der Jungens einen ganz gewöhnlichen Bauwagen mit einem Bett und einem an die Wand geschraubten Gaskocher am Haken seines Zugboliden. Der hat die Aerodynamik einer Schankwand und kostet dem davorgespannten VW-Pickup sicher 8 Liter Mehrverbrauch auf 100 Kilometer. Zumindest hat der noch ein V6 Motor, der mittlerweile leider nicht mehr gebaut wird. So geht ihm die Puste bis zum Kap hoffentlich nicht aus. Die Burschen selbst sind einfach nur schweizerisch gut drauf und haben viel Spaß. Sie bestaunen unser Gefährt und erzählen davon, dass sie so einen Umbau irgendwann auch mal mit einem alten Volvo F7 oder gar eines FL7 oder FL 10 vorhaben. So lange wollten sie aber nicht warten und sind einfach losgefahren. Dafür Hut ab: Einfach machen, Sollte die Devise sein,.....wenn man nicht erst 65 werden will, um das Kap zu sehen.
Die kleine Kolonne braust davon. Wir drücken Ihnen die Daumen, das sie gut ankommen.
Nachdem sie weg sind, lernen wir noch ein Ehepaar aus dem Märkischen Oderland kennen. Wolfgang und Gisela. Sie haben, wie viele aus ihrer Gegend das Kennzeichen MOL.
Wolfgang erzählt uns, das er neulich ein Gespräch eines sehr edel gekleideten SUV-Fahrers und seiner Frau belauscht hat. Dieser hat seiner Flamme glaubhaft erklärt, dass das Kennzeichen "MOL" für Moldawien steht. "Wieder welche, die in Deutschland nur illegal Sozialleistungen abfassen wollen". Wir müssen lachen und haben wieder einmal den Beweis: In einem guten Anzug steckt nicht automatisch ein kluger Mensch. Lange Zeit zum Kennenlernen der Beiden "Moldawier" bleibt uns nicht. Umso lustiger, dass wir uns auf der weiteren Reise noch mehrmals begegnen dürfen.
Nach Frühstück und der Gassirunde begleichen wir noch flink unserer Rechnung bei der freundlichen Campingplatzaufsicht und fahren weiter. Wieder ein bisschen nach Süden und dann weiter westwärts. Wir landen am Haukelandstranda. Das erste Mal gibt es deutliche Parkplatznot. Grund sind Bauarbeiten für neue Parkplätze. Man hat also das Problem erkannt und arbeitet bereits daran. Wir stellen uns einigermaßen bescheuert hin. Allerdings behindern wir auch keinen. Nur wegen bescheuerten Hinstellens nörgelt in Norwegen keiner. Während einer langen, schönen Wanderung am Vik Beach entlang, genießen wir das einmalige Panorama, das schöne Wetter, die Seeluft und die lustigen freilaufenden Schafe.
Für einen Aufstieg auf den Mannen, einen Bergrücken direkt vor unserer Nase, sind wir weder gut genug ausgerüstet, noch verfügen wir (ehrlich gesagt, ich) momentan über die erforderliche Kondition. Schade, denn Bilder auf Google Maps zeigen uns den einzigartigen Rundblick, den wir dort oben gehabt hätten. Naja, hätte,hätte Fahrradkette.
Als wir zum Trollexpress zurückkommen, ist alles noch dran. Alle Scheiben noch drinne. Reifen nicht plattgestochen. Kein böser Zettel am Scheibenwischer. Vielmehr haben um uns herum einige andere noch viel dämlicher geparkt als wir selbst. Aber alle glücklicherweise so, dass jeder ungehindert rausfahren kann. So sinn´se die Nordlinge und zum Glück auch die meisten Südlinge, die es hier schön finden. Über Google Maps haben wir einen Ort erkundet, der nur wenige Kilometer, quasi um die Ecke liegt. Eine Stelle, zu der nur ein Tunnel führt, der uns jetzt schon ein wenig das Fürchten lehrt. Er beginnt unmittelbar nach Ausfahrt des Parkplatzes. Er ist ungefähr 1km lang, bei mäßiger Beleuchtung. Eigentlich gibt es nur eine Fahrspur. Bei Gegenverkehr könnte man nur hoffen, dass der Entgegenkommende kleiner ist und bereitwillig zurücksetzt.
Fahren wir ihn also?
Na klar!
Vorwärts immer!
Rückwärts nimmer!
Wer hatte das gleich gesagt?
Wenige Minuten später spuckt der Tunnel uns nach der Durchfahrung aus. Mehr Platz als befürchtet. Zum Glück kein Gegenverkehr. Na, wer sagt´s denn.
Wir landen an Uttakleiv Beach. Nach einem etwas größerer Bauernhof, deren Betreiber sich anscheinend hauptsächlich der Viehwirtschaft widmen, geht der Weg nach links in Richtung Küste und Richtung Campingplatz. Hochmodern mit elektronischem Einchecksystem. Wir erreichen einen Platz in traumhafter Lage.
Uns begrüßt ein breiter, karibisch anmutender Sandstrand vor einem türkisblauen Meer, dem Æsholmen. (Kurios, den Holmen heißt eigentlich Insel.)
Der Platz ist gut besucht, aber nirgends drängelt sich jemand dazwischen oder kommt dem anderen zu nah. Gerade stehen ist nicht überall möglich.
Wir haben aber Glück und finden ein Plätzchen unmittelbar neben einem klitzekleinen, glasklaren Bach, der Schmelzwasser von den Bergen ins Meer befördert. Die Schafe mit ihren Lämmern sind zutraulich, jedoch nicht handzahm. Streicheln ist nicht gewünscht. So lassen wir sie in Ruhe. Sie sind eben, wie ihre Besitzer, echte Norweger, freundlich aber nicht gleich zum Anfassen. Ihr Leben hier, auf den sattgrünen Wiesen rund um ihren Bauernhof, dürfte traumhaft sein. Beim Anblick der frischen Kräutlein kommt man fast in die Versuchung, selbst mal ein Maul voll zu kosten.
Ein solches Traumplätzchen zu finden, passiert selbst in Norwegen nicht alle Tage. Auch hier gilt natürlich, dass das Wetter einen großen Anteil daran hat, wie man die Gegend wahrnimmt.
Dazu möchte ich nicht schon wieder Lobeshymnen von mir geben. Es wird sonst mit der Zeit langweilig. Die Bilder sind selbstredend und zeigen, wie wir von Himmel und Meer verwöhnt wurden. Auch wenn es die wirklichen großen Abenteuer hier oben sicher auch nicht mehr gibt. Die Kleinen schon.
Deshalb muss man hin und wieder ein klein wenig Mut aufbringen um, wie in diesem Fall, durch einen abenteuerlichen und respekteinflößenden Tunnel zu fahren. Allein dadurch trennt sich dann manchmal die Spreu vom Weizen. Hätte es den Tunnel nicht gegeben, wäre das Traumplätzchen womöglich kein Traumplätzchen geblieben. Es wäre alle dort gelandet. Auf Europastraßen lässt sich zwar gut Strecke machen. Die Perlen des Nordens zeigen sich aber auf den abgelegenen Wegen, die meist schmal und ganz häufig nicht mit Asphalt belegt sind.
Diese Wege gibt es zu Hause im engen Deutschland nicht mehr. Zumindest sind sie abgesperrt, weil zu gefährlich. Hier oben ist man auf sich selbst gestellt und kann einiges gestalten. Auch die Leute, die hier geboren wurden und hier leben, tun das. Hier wird nicht permanent nach Hilfe und Unterstützung gerufen. Und trotzdem ist sie da, wenn sie gebraucht wird. Auch ohne viele Worte und uneigennützig. Und so funktioniert die Welt im Norden.
Mittwoch, der 5. Juni 2024
Der nächste Tag auf den Lofoten begrüßt uns mit 22 Grad und Sonnenschein. Im Durchschnitt hat man hier in Juni 13 Grad gemessen. Somit sind wir schon wieder 10 Grad im Plus. 7 Regentage im Juni sind dagegen wirklich nicht so viel. Für diese wettergegerbten Inseln hätte ich mehr Niederschlag erwartet.
Deutschland hatte es in den letzten Tagen schlechter getroffen. Der für uns positive Gegensatz begleitet uns ja nun schon seit Beginn der Reise.
Wir fahren Die E10 entlang. Traumhaft wiederum jeder Meter und jeder Ausblick. Eigentlich haben wir für heute noch keinen genauen Plan. Ungewöhnlich eigentlich, denn normal wissen wir so etwas, wo uns der Troll hinbringen soll. Da, plötzlich, fast schon im Augenwinkel übersehen, ein unscheinbarer Abzweig mit dem Hinweis "Nusfjord". Das ist uns ein Begriff. Da müssen wir hin. Also 10 Meter zurücksetzen, Blinker links und ab gehts über den Fylkesvey 807 ins Seitental. Nach wenigen Metern baut sich ein Panorama vor uns auf, welches sich kaum beschreiben läßt. Vor stahlblauem Himmel haben wir ein unbeschreibliches Bergmassiv vor uns. Ein Anblick bei dem man nicht einfach weiterfahren kann.
Rechts ran, auch wenn hier kein idealer Punkt zum Anhalten ist. Die Straße ist nicht wirklich zweispurig. Zum Glück erwischen wir eine kleine Ausweichbucht, die aber eigentlich nicht als Parkniesche gedacht ist.
Was ist das hier für eine Mischung? Eine Briese Norwegen, ein Löffelchen Schweiz und den Rest mit einem Schluck Kanada verfeinert. Das Ganze ist immer noch etwas mit dem "Puderzucker" des letzten Winters dekoriert. In jeder Spalte rauscht ein mehr oder weniger hoher Wasserfall ins Tal. Beschreiben kann man diese Eindrücke nicht. Da fehlen einem einfach die Worte.
In der Viertelstunde, während wir hier so schlecht geparkt am Straßenrand standen, sind keine 10 Fahrzeuge vorbeigefahren. Nachdem wir uns etwas gesammelt haben, geht die Fahrt weiter. Die Straße führt deutlich bergab in Richtung Fjord und somit auf Meereshöhe. Vorbei am Storvatnet ist es nicht weit bis in das malerisch gelegene Museeumsörtchen Namens Nusfjord. Auch hier, wie schon so oft, gibt es keine riesigen Parkplätze. Jeder findet aber irgendwie eine Lücke. Selbst mit unserem kleinen Riesenbaby klappt das recht schnell. Einige wenige "Ureinwohner" gibt es noch. Eine etwas betagtere Dame, vor deren Haus wir uns aufgestellt haben, wirft uns einen kurzen Blick zu. Sie lässt sich nicht aus dem Konzept bringen und zupft in aller Ruhe die welk gewordenen Blüten ihrer gelben Husarenköpfchen ab.
Vor ihren wunderschönen Anwesen rauscht ein glasklares Flüsschen zu Tal. Die Forellen die hier leben dürfen, müssen die wohl glücklichsten der Welt sein.
Ein junger Student kassiert an einem niedlichen Zollhäuschen den Eintritt ins lebendige Museumsdorf. Ein Museumsdorf, welches tatsächlich richtig lebt. Wenige Meter nach dem Eingang finden wir die kleine Bäckerei. Sie hat geöffnet und ist gut besucht. Der Geruch von frischem Brot und frisch gebackenem Naschwerk weht uns entgegen.
Hier einfach vorbeizugehen, schafft eigentlich nur jemand ohne funktionierenden Geruchssinn. Wir müssen da mal rein. Die freundlichen Bäckerinnen erlauben uns nach höflicher Nachfrage ganz selbstverständlich ein paar Fotos zu machen.
Man fühlt sich in seine Kindheit zurückversetzt, als wir mit dem Fahrrad in den Nachbarort fuhren, um bei unserem Bäcker Huldreich Hartung frisches Brot und Brötchen und ab und zu auch mal ein paar Stückchen Kuchen einzukaufen. Damals waren wir grundsätzlich mit einem wiederverwendbaren Einkaufsbeutel bewaffnet. Keinem wäre es eingefallen, dass uns der Bäcker seine Leckereinen in Einwegtüten verpackt. Gerne hätte ich jetzt einen dieser alten Tragebeutel aus buntem Dederonstoff dabei. Vor der kleinen Bäckerei weht selbstverständlich die norwegische Flagge.
Innen muss ich mich gelegentlich bücken, um mir nicht die Birne an der niedrigen Balkendecke zu stoßen.
In der Backstube wird gerade die jüngste Bäckerin in die Grundregeln des Berufes eingewiesen. Ein Hocker hilft ihr dabei, die Lehrstunde mit Blick auf und nicht unter den Tisch zu erleben. Bei einer herrlichen Tasse Kaffee genießen wir eine noch warme Rosinenschnecke an einem herrlich rosa Tischchen vor der Bäckerei.
Danach schlendern wir über alte Holzstege am Rand des Fjordes entlang. Historische Speicher und Bootshäuser sind liebevoll restauriert und zeigen eindrucksvoll das Leben der hier einstmals arbeitenden Fischer.
Weiter in Richtung Wasser kommen wir an das eigentliche Zentrum des Treibens, den Hafen. Landhandel, Kunstgallerie, Restaurant und Hotel, alte Fischerboote und moderne Schlauchboote warten auf Touristen. Trotzdem sieht man einen Film im Kopf ablaufen, wie das Leben hier vor 80 oder 100 Jahren war.
Man könnte hier stundenlang in der Sonne sitzen, aufs Meer schauen und den Möven zuhören. Freundliche Gesichter überall.
Einzig das Panoramarestaurant in einem umgebauten Fischereispeicher können wir nicht von innen testen, da Hunde in Norwegens Gastronomie scheinbar grundsätzlich nicht erlaubt sind. Tja und uns kriegt man nur als Dreigestirn.
Dafür durchstöbern wir ausgiebig den Landhandel, der ebenfalls lebt und nicht nur Museum ist.
unmittelbar neben dem eigentlichen Verkaufsraum gibt es ettliche Niedlich eingerichtete Zimmerchen mit historischer Ausstattung. In diesen kann man völlig ungezwungen eine Tasse Kaffe trinken und dabei die frische Zimtschnecke genießen, die man nebenan kaufen konnte.
Gegen 14.00 Uhr sind wir wieder am Trollexpress. Schweren Herzens verabschieden wir uns von diesem wunderbaren Örtchen Nusfjord am Nusfjord. Die alte Dame sitz auf ihrer kleinen Bank vor ihrem Häuschen und winkt uns nochmal freundlich zu. Auch wenn beim Start des Motors eine kleine Dieselwolke zu ihr hinüberzieht, macht sie das nicht mürrisch. So haben, als sie noch 30 Jahre jünger war, schließlich alle Lastebils einmal gerochen. Sozusagen ein Geruch aus der Jugend.
Zurück auf der E10 passieren wir eine anscheinend noch florierende Klippfischfabrik. Hier hängen die Trockengerüste noch prall voll.
Die Reise führt uns über einen der beeindruckendsten Abschnitte der Lofoten. Der Flakstadveien führt mal Richtung Norden, mal westwärts und dann wieder schnurstracks in südliche Richtung. Fast immer jedoch entlang der beeindruckenden Küste des Europäischen Nordmeeres. Wieder einmal eine Art Inselhopping, wie wir es schon mehrmals erleben durften. Der wohl brückenreichste Abschnitt beginnt bei Hamnøya, führt über Toppøya und Sakrisøya. Irgendwie erinnert mich die Wiederholung der Endungen an die Gegend um Tübingen. Dort gibt es Reutlingen, Metzingen, Böblingen, Sindelfingen und nicht zuletzt Burladingen! Hier heißt alles Øya, was nicht anderes als "Insel" bedeutet. Wer hätte das gedacht 😂?
Von Sakrisøya führt die E10 schließlich über eine weitere Brücke. Wenige Meter später zweigt die Straße über eine Art Mole auf die kleine Halbinsel ab, auf der sich das eigentliche und sehr bekannte Örtchen Reine befindet. Dessen Hausberg, der Reinebringen liegt gegenüber. Er ist vermutlich einer der meistfotografierten Berge der Lofoten. Erklimmt man ihn, bleibt das Panorama, welches sich dann von oben über die Umliegende Inselwelt bietet, mit Sicherheit in dauerhafter Erinnerung. Wider Erwarten wird parken nun doch zu einem kleinen Problem. Nur im Hafen auf einem tristen Schotterplatz finden wir dazu eine Gelegenheit.
Irgendwie ist aber auch diese Parkplatznot wiederum ein Umstand, der zu einer besonderen Begegnung führt. Was wir nämlich ganz in unserer Nähe entdecken, ist so gar nicht norwegisch-historisch. Es ist die "Endurance" von National Geographic, eines der modernsten Polarkreuzfahrt- und zugleich Forschungsschiffe der Welt.
Sie lief 2020 vom Stapel. Der Schiffsrumpf wurde auf der Crist Werft in Danzig gebaut. Den Endausbau übernahm die Ulstein Verft in Ulsteinvik in der auch die neuen Hurtigrutenschiffe der Polarlys-Serie gebaut werden. Die Endurance bietet 126 bestzahlenden Passagieren in 69 geräumigen Kabinen komfortabel Platz. Alle Kabinen sind nach außen gerichtet und haben neben einem eigenen Balkon bestausgestattete, vollklimatisierte Räume mit eigenem Badezimmer und Internetzugang. Zugleich verfügt das Schiff über eine hochmoderne Expeditionszentrale. Den zahlenden Passagieren wird währen der Expeditionen einiges geboten. Wer Genaueres darüber wissen will, kann sich über www.polartours.com informieren.
Endurance, auf Deutsch "Ausdauer", hieß bereits das Schiff des britischen Entdeckers und Polarforschers Ernest Shakleton. Trotz des im Jahre 1915 gescheiterten Vorhabens, mit diesem legendären Dreimaster das Festland der Antarktis zu erreichen, gelangte sie trotzdem zu einigem Ruhm. Der heutigen Endurance wird dank neuester Technik und hochmoderner Ausrüstung dieses Schicksal mit sicher erspart bleiben. Alleine der Anblick eines so besonderen Schiffes treibt einem die Gänsehaut über den Körper. Leider wird es uns vermutlich nicht vergönnt sein, mit ihr einmal eine Kreuzfahrt zu unternehmen. Es sei denn Fortuna würde uns in Kürze zu unverhofften Lottoglück verhelfen. Die 16-tätige Kreuzfahrt, "Die Fjorde Norwegens und Spitzbergen"auf der wir sie hier in Reine getroffen haben, war für günstige 23.400,00 $ zu buchen. Zuzüglich Extras versteht sich! Reiseziele hat die moderne Endurance rund um den Globus, in allen Klimazonen und auf allen Weltmeeren der Erde.
Bei den Passagieren, die zu der Zeit, als wir ihr Schiff bewunderten, anscheinend vom Landgang aus Reine zurück kamen, fiel uns auf; Es sah kein Einziger und keine Einzige nach außen hin schwer reich aus. Aber jeder machte einen glücklichen Eindruck und schien ein ganz normaler Zeitgenosse zu sein. Wie das oft so ist im Leben.
Auch wenn uns die Enduranche sehr fasziniert hat, einen hübschen Übernachtungsplatz finden wir in Reine nicht. Wir recherchieren also und finden wenige Kilometer von Reine entfernt, Moskenes Camping.
So viel Auswahl gibt es hier, kaum 10 km vor der Westspitze der Inselgruppe aber auch nicht mehr. Außerdem ist Moskenes der Fährhafen, von dem aus wir wieder aufs Festland übersetzen können. Unser Ansinnen, dieses noch am gleichen Tag in Angriff zu nehmen, scheitert daran, dass die letzte Fähre bereits abgelegt hatte.
Es gilt ja auch nichts zu überstürzen. Vielmehr hätte der spektakuläre Ort Å am folgenden Tag noch auf unserer Agenda gestanden. Leider war aber der Vorwärtsdrang wieder einmal stärker, als die Besonnenheit, sich noch einen Tag länger auf den Trauminseln zu gönnen.
Zudem sind die Buchungsmodalitäten der Fähre und deren Belegung nicht so ganz klar. Wir entscheiden uns deshalb fürs Vorbuchen zum kommenden Morgen. Schnell stellen wir fest, dass das absolut nicht nötig gewesen wäre.
Kurz vor Sieben geht es schließlich entspannt auf die Fähre und wenige Minuten danach, hinaus aufs Wasser. Knapp 100 Kilometer und etwa 3 Stunden Fährzeit liegen vor uns, um in Bodø wieder das Festland zu erreichen.
Odin lassen wir diesmal im Trollexpress. Hier hat er Platz und Ruhe und wir alle müssen nicht noch einmal eine feindliche Aktion eines Fährenkapitäns und seiner Crew befürchten. Im Troll kann er liegen, wo er will, schlafen wann er will, hat zu Trinken und mehr als genug zu spachteln, als er es für diese drei Stunden brauchen würde. So gemütlich es im Wohnkoffer auch ist, meist sucht er sich während unserer Abwesenheit ein Plätzchen im Fahrerhaus. So hat er den besten Überblick und verpasst unsere Rückkehr nicht.
By, by Lofoten. Trauminseln des Nordens.